Hallo Kanal- und Seefahrer,
durch einen wohlbekannten Blog (pikeblog.de) wurde ich auf eine umfangreiche Abhandlung zum Thema "Ulster Canal" aufmerksam:
http://irishwaterwayshistory.com/rants/the-ulster-canal/the-ulster-canal-12-departmental-bullshit/ Eine gewisse Voreingenomenheit des Autors Brian Goggin (WTF soll das Wort "bullshit" in der URL?) sollte nicht davon abhalten, sich mit den eifrig, oder besser, fleißig, zusammengetragenen Informationen auseinanderzusetzen.
Zunächst mal zur aktuellen Planung, den Kanal nur vom Erne bis Clones zu reaktivieren: Bei diesem "Konzept" (ähem) ist doch vorgezeichnet, daß den zahlreichen Hochbauruinen in Irland nun auch noch eine Tiefbauruine zugefügt wird. Was in diesen Kanalstummel der ersten Planungsphase reingesteckt wird, wäre besser im Gesundheitssystem investiert. (Was aber sicher auch nicht der Fall sein wird, eher paßt Mary Harney durch ein Schlüsselloch). Optimisten (braucht die Welt mehr denn je) werden einwenden, daß mit diesem Anfang eine vollendete Tatsache geschaffen wird, ein Anschub, der zwangsläufig irgendwann den Weiterbau zur Folge hat. Ja, das wäre schön- aber in absehbarer Zeit wird ganz einfach kein Geld dafür da sein, und so gibt es ganz einfach nichts anzuschieben.
Meine Meinung zum Ulsterkanal generell: Entweder ganz oder gar nicht. Nachdem mit Grand und Royal genug Revier für die überschaubare Masse der Kanalfahrer geboten ist, hätte die Wiedereröffnung des Ulsterkanals nur Sinn im Zusammenhang mit einer Schiffbarmachung von Loch Neagh. Um hier nicht den Jules-Verne-Orden überreicht zu bekommen: Mir ist klar, daß Lough Neagh erst mit hohem Aufwand vermessen und markiert werden müßte. Ohne zusätzliche Freiräumung von Untiefen in einer sicheren Fahrrinne würde dieses Revier den Vermietern und deren Versicherern den kalten Schweiß auf die Stirn treiben. Andererseits gibt es auf der Müritz in Mecklenburg, ebenfalls mit Felsen und Sandbänken inmitten einer vermeintlich harmlosen Wasserfläche bestückt, und ebenso für schnell aufkommende Stürme berüchtigt, auch nicht überproportional viel Unfälle. Aber es ist klar, daß der Ausbau von Lough Neagh, immerhin fast viermal so groß, mit narrensicherer Markierung und der Anlage zahlreicher Schutzhäfen nebst Reaktivierung des Ulster Canal finanzielle Zukunftsmusik mit utopischen Mißtönen ist.
Was man aber jetzt – und nach meiner Meinung als Einziges und Wichtigstes - tun sollte, ist, der Trasse des Ulster Canals Bestandsschutz zu gewähren, d.h. keine weiteren niedrigen Brücken bauen, nichts zuschütten und keine weiteren Grundstücksverkäufe tätigen.
Es ist mir klar, daß dies ein Blick in die weite Zukunft ist. Was mich zu diesem latenten Optimismus verleitet?
Ich habe mich eingehend mit der Geschichte des Ballinamore & Ballyconell Canal (jetzt SEW) beschäftigt. Er war zu seiner Entstehungszeit vor 150 Jahren der Idealtyp für Fehlplanung und Murks am Bau. Am Verkehrsbedürfnis vorbeigeplant, aus Finanznot in der Tiefe beschränkt, dafür in der Anfangsphase mit Treidelpfaden versehen, als ob es keine Seen in seinem Verlauf gäbe – das alles bescherte ihm in seinem ganzen (ersten) Leben nicht mehr an Schiffsverkehr, als man heutzutage im sommerlichen Carrick in 5 Minuten vorbeiziehen sieht.
Was das eigentliche Kanalstück im Westen aufrecht erhielt, war seine Entwässerungsfunktion für die Landwirtschaft; der Woodford River im Osten räumte sich seinen Weg selber frei – einschließlich der schildagerecht mitten in den Fluß (ohne Seitenkanal) hieneingebauten Schleusen.
Was 1994 aus diesem Bild der Trostlosigkeit geworden ist, wissen wir: Eine Erfolgsgeschichte. Es gab sogar Zeiten, wo die Kapazitätsgrenze nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten wurde. Mir ist klar, daß der Vergleich (momentan) hinkt: Die Shannon-Erne-Verbindung ist kürzer, hat weit weniger Schleusen und verbindet zwei Systeme Erne und Shannon, die beide für sich aus Hobbyskippersicht schiffbar waren.
Warum nun meine Einschränkung, daß der Vergleich nur
momentan hinkt? Die derzeitige wirtschaftliche Depression in Irland und anderswo wird länger, aber nicht ewig dauern. Gemessen an den 200 Jahren seit der ersten wirtschaftlichen Nutzung einer künstlichen Binnenwasserstraße in Irland (Grand Canal) wird diese Depression auch nur eine Episode sein.
Und dann, in (10), 20, 30 .... Jahren? Wird ein (hoffentlich) gesünderes Wachstum Irland vielleicht viele neue Touristen bescheren, die froh über ein wesentlich weiteres Revier sind? Werden vielleicht zusätzliche Touristen aus der klimagewandelten Mittelmeerregion kommen, um Sommer mit 25 °C statt 45 °C zu genießen? Würde dieser Aufschwung mit all seinem erwirtschafteten Gewinn die Wasserbaumaßnahmen finanzieren?
Wir wissen es nicht. Doch um dieser Möglichkeit willen sollte die Chance einer Wiedereröffnung des Ulster Canals nicht (im wahrsten Sinne des Wortes) verbaut werden.
Mehr sollte man jetzt nicht tun, aber auch nicht weniger.
bádóir